Jugendarrest

Auf Straftaten Jugendlicher oder Heranwachsender, für die Jugendstrafrecht gilt, kann nach dem JGG (Jugendgerichtsgesetz)  mit Erziehungsmaßregeln (Erteilung von Weisungen oder Anordnung der Erziehungshilfe) reagiert werden. Reichen diese nicht mehr aus, kann die Straftat mit Zuchtmitteln (Verwarnung, Erteilung von Auflagen, Jugendarrest) oder bei Bejahung „schädlicher Neigungen“ oder einer „schweren Schuld“ mit Jugendstrafe geahndet werden.

Der Jugendarrest ist ein Zuchtmittel, keine Strafe. Gemäß § 13 JGG wird er dann verhängt, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Durch den Vollzug des Jugendarrests sollen bei den Jugendlichen erzieherische Ziele erreicht werden. Daraus folgt die pädagogische Ausgestaltung des Jugendarrests. Der Jugendarrest soll darüber hinaus aufzeigen, was der Entzug der Freiheit bedeutet und dadurch die jungen Täter von weiteren Gesetzesbrüchen abhalten.

Zwischen dem schärfsten Zuchtmittel, dem 4 wöchigen Dauerarrest, und der nächsten freiheitsentziehenden Sanktion, der Jugendstrafe von mindestens 6 Monaten ohne Bewährung, bestand früher eine große Lücke, wo freiheitsentziehende Maßnahmen gesetzlich nicht vorgesehen waren. In diesem Bereich waren trotz zum Teil festgestellter schädlicher Neigungen oder des Vorliegens einer schweren Schuld alleine Sanktionen mit Bewährungscharakter möglich. Es gibt jedoch eine Reihe von Fällen, wo neben diesen Sanktionen ein kurzer Freiheitsentzug aus erzieherischer Sicht wünschenswert. Deshalb wurde mit Wirkung zum 07.03.2013 in § 16a JGG der sogenannte „Warnschussarrest“ eingeführt, der die Verhängung eines Dauerarrestes von bis zu 4 Wochen neben einer Bewährungsaussetzung ermöglicht.

Neben dem durch Urteil verhängten Arrest gibt es den sogenannten Nichtbefolgungsarrest. Dieser wird durch richterlichen Beschluss verhängt, wenn ein Jugendlicher Weisungen und Auflagen aus Urteilen und Beschlüssen beharrlich nicht nachkommt. Dieser Nichtbefolgungsarrest soll als erzieherisches Druckmittel für die Einhaltung der erteilten Weisungen und Auflagen dienen und tritt ausdrücklich nicht an deren Stelle. Die Arrestverbüßung kann daher auch in der Regel durch Erfüllung der Weisungen und Auflagen bis zum Arrestantritt vermieden werden.

Der Jugendarrest ist nach § 16 JGG derzeit in drei Formen möglich:

  • Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen (Freitagabend bis Sontagabend) verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
  • Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und dadurch weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei entsprechen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit.Die Höchstdauer beträgt vier Tage.
  • Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen.

Gesetzliche Grundlage für die Vollstreckung des Jugendarrestes

Der Vollzug des Jugendarrests greift in Grundrechte der Arrestierten ein und steht damit unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Bisher gab es kein Jugendarrestvollzugsgesetz, sondern nur wenige im JGG und im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) enthaltene Einzelbestimmungen. Die nähere Ausgestaltung erfolgte bislang durch die Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO). Die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug des Jugendarrests liegt seit dem 1. September 2006 bei den Ländern. Dem folgend hat das Land Rheinland-Pfalz basierend auf einem Musterentwurf einer Gruppe von neuen Bundesländern ein eigenes Landesjugendarrestvollzugsgesetz (LJAVollzG) geschaffen, welches am 01.01.2016 in Kraft trat.

Dem Gesetz liegen folgende Eckpunkte zugrunde:

  • Entsprechend den Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes ist Ziel des Vollzugs, den Arrestierten das von ihnen begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst zu machen und einen Beitrag zu leisten, die Arrestierten zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu befähigen. 
  • Der Vollzug des Jugendarrests ist erzieherisch auszugestalten. Entsprechende Maßnahmen sind daher auch an Wochenenden und Feiertagen vorzuhalten. Die Arrestierten sind zu einer Mitwirkung verpflichtet.
  • Mit Blick auf die nur kurze Verweildauer der Arrestierten im Vollzug des Jugendarrests legt das Gesetz den Schwerpunkt der Beschäftigung mit den Arrestierten auf die Feststellung ihrer aktuellen Probleme und Defizite,
  • ihrer Motivierung zu einer Veränderung der Einstellung und des Verhaltens sowie auf die Vermittlung der Arrestierten in weitergehende Hilfen. Die Arrestierten sollen an einen geregelten Tagesablauf herangeführt werden. 
  • Neben Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und solchen zur lebenspraktischen, beruflichen und schulischen Entwicklung, kommt derGestaltung einer strukturierten Freizeit und insbesondere dem Sport im Vollzug des Jugendarrests eine besondere Bedeutung zu.
  • Die Einzelunterbringung während der Einschlusszeiten wird zur Regelform. Eine gemeinsame Unterbringung ist mit Zustimmung der Arrestierten möglich, wenn keine schädlichen Einflüsse zu befürchten sind. Die Arrestierten dürfen eigene Kleidung tragen.
  • Pflichtverstöße während des Arrestes sind konsequent erzieherisch aufzuarbeiten. Dafür stehen erzieherische Maßnahmen zur Verfügung, außerdem soll die einvernehmliche Streitbeilegung gefördert werden. 
  • Jugendarrestanstalten sind mit dem für die Erreichung des Vollzugziels und dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal auszustatten. Die Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung geeignet und qualifiziert sein.

Gebäudesituation, Belegungsfähigkeit und Zuständigkeit der JAA Worms

In der Jugendarrestanstalt  Worms stehen bei der gesetzlich vorgesehenen Einzelbelegung 27 Plätze für Arrestierte zur Verfügung  bei gemeinsamem Vollzug für beide Geschlechter. In besonderen Fällen kann teilweise eine Doppelbelegung erfolgen, sodass maximal 35 Arrestplätze zur Verfügung stehen. 

Jugendarrestvollstreckung in Rheinland-Pfalz

Bis 2007 - rund 20 Jahre - war die Jugendarrestanstalt Worms für die Vollstreckung des Jugendarrestes in ganz Rheinland-Pfalz zuständig. Seit Juli 2007 stehen zu ihrer Entlastung und zur Beschleunigung der Vollstreckung des Jugendarrests zusätzlich Plätze in der Jugendarrestanstalt Lebach (Saarland) zur Verfügung. 

Gestaltung des Jugendarrests in der Jugendarrestanstalt Worms

In der Jugendarrestanstalt sollen die Arrestierten Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten erhalten und lernen, dass das Einhalten von Regeln notwendig ist. Sie werden in einen geregelten Tagesablauf eingebunden, was viele aus ihrem Alltagsleben nicht (mehr) kennen. Dabei wird die aktive Mitarbeit eingefordert. Insbesondere um die Selbstreflektion zu fördern und dabei Ablenkungen zu vermeiden, ist die Einzelunterbringung als Regelunterbringung vorgesehen.

Pädagogische Angebote, Sport und Freizeit

Die kurze Verweildauer im Jugendarrestvollzug bestimmt die Angebote im pädagogischen Bereich. Innerhalb einer durchschnittlichen Vollstreckungsdauer von ca. 2 Wochen können keine Wunder erwartet, sondern nur Akzente gesetzt und Weichen neu gestellt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Arrestierten zunächst eine gewisse Zeit benötigen, um sich an die fremde Situation in einer geschlossenen Institution zu gewöhnen und mit den anderen Arrestierten zurechtzukommen. Der Fokus liegt deshalb auf Kurzinterventionen im Bereich der Alltags- und Lebensbewältigung. Dabei sollen die Arrestierten zu einer Selbstreflektion angeregt werden und ihnen auch klar vor Augen geführt werden, wo ein weiterer Verstoß gegen gesetzliche Normen hinführt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Vorfeld beinahe alle Arrestierten schon mehrfach erfolglos ambulante Erziehungsmaßnahmen absolviert hatten. Festzustellen ist auch, dass durch die Zunahme von psychisch belasteten oder sogar gestörten Arrestierten heute eine wesentlich intensivere Einzelfallhilfe notwendig ist als früher.

Innerhalb dieses kurzen Zeitrahmens sollen und können den Arrestierten dennoch Impulse gegeben werden, wie z.B.:

 

  • sich mit der aktuellen Lebenssituation auseinanderzusetzen,
  • abweichendes Verhalten zu beenden,
  • Konfliktsituationen zu erkennen und sich ihnen zu stellen, 
  • Kommunikations- und Kontaktschwierigkeiten zu vermindern,
  • Perspektiven für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu entwickeln,
  • das Selbstwertgefühl zu steigern,
  • sich der Verantwortung für die Tat bewusst zu werden, 
  • zu lernen, für begangenes Unrecht einzustehen, 
  • sinnvolle Freizeitmöglichkeiten zu finden,
  • die eigene Kreativität zu entdecken.

Um den gesetzten Zielen näher zu kommen, werden verschiedene Maßnahmen angeboten, die die Chancen der sozialen Integration nach der Entlassung erhöhen. Für die entsprechenden Angebote gibt es einen Wochenplan, aus dem die Verteilung der Maßnahmen von Montag bis Sonntag ersichtlich ist.

Im Vordergrund stehen dabei:

  • Einzel- und Gruppengespräche mit sozialen Trainingsinhalten / Gesprächsthemen wie beispielsweise Probleme in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Umgang mit Drogen und mit Geld oder bei der Suche nach einer Arbeitsstelle.
  • Sport im Freien oder in der Halle (insbesondere Ballspiele, Tischtennis oder Joggen, bei schlechtem Wetter auch Tischtennis und Tischfußball im Freizeitraum) hat das Ziel, positives Gruppenverhalten einzuüben, das Körperbewusstsein zu stärken, die Kondition zu verbessern und Impulse für eine künftige nichtkriminelle Freizeitgestaltung zu geben.
  • Kreatives Werken wie zum Beispiel das Arbeiten mit Holz und Metall soll Erfolgserlebnisse über das eigenständige Fertigen eines "Produkts" ermöglichen und das Selbstwertgefühl verbessern. Neuerdings kann sogar ein Grundkurs für Metallbearbeitung absolviert werden mit von der Handwerkerinnung zertifizierter Teilnahmebescheinigung.
  • Sozialpraktische Kurse wie Kochen oder Backen sollen Alltagskompetenzen vermitteln und auf ein eigenständiges Leben vorbereiten.
  • Gemeinnützige Einsätze wie zum Beispiel die Übernahme von Reinigungsarbeiten nach Unwettern sollen zeigen, dass Freizeit auch im Einsatz für die Allgemeinheit sinnvoll verbracht werden kann.
  • Freizeitpädagogische Projekte wie das Laufen auf einer Slackline, Fahrradfahren, Nachtwanderungen o.a. fördern das soziale Lernen in der Gemeinschaft und runden das Profil ab.

Die Kürze der Zeit erlaubt keinen Arbeitseinsatz wie zum Beispiel im Jugendstrafvollzug. Dennoch werden die Arrestierten zur Mitarbeit an der Bewältigung des Alltags in der Jugendarrestanstalt herangezogen (z.B. haushaltsnahe Tätigkeiten wie Tischdecken, Abräumen, Abwaschen, Reinigungs- oder Gartenarbeiten).